Grappling ist ein relativ junger Bodenkampfsport, die Wurzeln jahrhundertealt. Der erste und bisher einzige Verein im Emsland ist Masao Grappling, wo neben Grappling auch Ringen, K1 Kickboxen und MMA trainiert wird.
Kampfsport: Masao ist der erste Grappling-Verein im Emsland

Ein Kampf um den richtigen Hebel

Grappling kommt aus dem Englischen und bedeutet packen, festhalten. Die Sportart selbst hat viele Wurzeln und ist eine relativ junge Bodenkampfsportart - die immer beliebter wird und auch im Emsland ihre wachsende Nische gefunden hat. Mitten in der Corona-Pandemie wurde Masao Grappling Lingen (Ems) e. V. gegründet, der erste Verein für Grappling im Emsland.

Masao Grappling ist seit 2021 das erste Grappling-Team im Emsland. “Als wir den Verein gegründet haben, standen verschiedene Namen im Raum. Er sollte Stil und Haltung des Teams spiegeln", erklärt Gründer und Namensgeber Erik-Masao Boller. "Am Ende war uns vieles aber zu albern und wir konnten uns mit Masao am besten identifizieren”, erzählt der heute 30-Jährige, hält kurz inne und schiebt lachend hinterher: “Dabei bin ich mir gar nicht sicher, ob die genaue Bedeutung bei allen bekannt ist! Aber spätestens am Ende dieser Geschichte dann!”

Vom Karate zu Mixed-Martial-Arts

Geboren ist Erik zwar in Kaiserslautern, aber aufgewachsen ist er im Emsland und mit 14 Jahren im Shotokan Karate Dojo Lingen e.V. mit dem Kampfsport gestartet. “Eigentlich sollte ich zum Golf”, schmunzelt er, “aber ich brauchte etwas mehr Action.” Ein Glück, denn unter Reinhard Schmidt, einem Karate-Weltmeister, konnte er in Lingen sein Kampfsport-Talent entfalten. Das prägt seither nicht nur seinen eigenen Lebensweg, sondern inzwischen auch den vieler anderer. Mit verschiedenen Titeln und Gewinnen im Gepäck (z. B. in der Landesmeisterschaft), zog Erik für das Studium der Zahnmedizin nach Ungarn und suchte nach einem passenden Trainingsumfeld. Fündig wurde er bei László Szögyényi, einem nationalen Mixed-Martial-Arts-Champion (MMA).

MMA ist eine Mischung verschiedener Kampfsportkünste, die in einem achteckigen Käfig ausgetragen und oft mit wilder Prügelei und großer Brutalität assoziiert wird. Ist das so? “Das scheint vielleicht so, weil durch die Mischung vieles erlaubt ist. Aber auch im MMA zählt Respekt, es gibt Regeln und ganz klare No-Gos. In erster Linie ging es mir aber nicht ums Kämpfen, sondern mental und körperlich an meine Grenzen zu gehen und mich weiterzuentwickeln”, beschreibt Erik seinen Ausgleich zum Studium. Inzwischen hat er sowohl im MMA als auch im Kickboxen erfolgreich Kämpfe ausgetragen - seine Leidenschaft gilt jedoch dem Bodenkampf, dem Grappling.

Halten, würgen, hebeln und Hygiene

Wer einmal in den Kampfsport eintaucht, merkt schnell, dass die einzelnen Kampfsportarten viel gemeinsam haben. Das Grappling basiert unter anderem auf Elementen und Techniken aus dem Ringen, dem Brazilian Jiu-Jitsu (BJJ) oder beispielsweise dem Judo. Allerdings wird beim Grappling (auch bekannt als Submission Grappling und No-Gi Grappling) hauptsächlich gegriffen und es wird in moderner, eng anliegender Sportkleidung gekämpft. “Die Rashguards und Spat Pants sind hauteng, um die Haut vor Abschürfungen und Reibungen zu schützen - und sie sind Teil der grundlegenden Hygiene, die beim Vollkontakt besonders wichtig ist”, erklärt Erik. “Bei uns kommt keiner mit ungeschnittenen Nägeln oder schmutzigen Füßen auf die Matte, das ist eine Frage des Anstands und des Respekts gegenüber den Trainingspartnern.”

Und die Regeln beim Grappling? Es wird hauptsächlich gegriffen. Tritte und Schläge sind nicht erlaubt. Das Ziel ist, den Partner in eine unvorteilhafte Position zu zwingen, ihn bewegungsunfähig zu machen und mit Halte-, Würge- und Hebelgriffen zur Aufgabe zu zwingen. Das erfordert einerseits natürlich Kraft. “Ebenso wichtig sind aber die Technik und die Aufmerksamkeit für die Bewegungen des Partners”, betont Erik den Kern des Sports. “Da geht es manchmal um Millimeter, die man sich mühsam erobern muss, um schließlich in eine Position zu finden, aus der der andere sich nicht befreien kann.” Und auch dann ist Aufmerksamkeit geboten: Der Kampf wird durch das Abklopfen mit der flachen Hand auf den Körper des Gegners oder die Matte beendet - und dann gilt es loszulassen und sich gegenseitig aufzuhelfen.

Vereinsgründung mitten in der Corona-Pandemie

Zurück im Emsland arbeitete Erik als Zahnarzt. Die Motivation, den Grappling-Verein zu gründen, war anfangs eher eigennützig. “Nach zwei schweren Knieverletzungen trainierte ich für meine Reha im Fitnessstudio, wo ich Julien Fuchs kennenlernte. Es hat sich herausgestellt, dass er zu der Zeit mit Kickboxen angefangen hat und zuvor Kampfsporterfahrung im Judo und Kung-Fu gesammelt hatte. Damit hatte ich meinen ersten Grappling-Partner gefunden”, erzählt Erik. Weil es keinen passenden Verein in der Nähe gab, entwickelte er unter seinem Karate-Trainer eine inoffizielle Grappling-Sparte beim Shotokan-Verein. “Das sah anfangs echt jämmerlich aus: Wir waren drei, vier Leute auf einer recht kleinen Matte in einer riesigen Halle!”, lacht er rückblickend. Aber nach und nach wurden es mehr Interessierte und 2020 kam der Stein ins Rollen.

Am 21. Februar 2021 gründete er nach ein wenig Recherche gemeinsam mit seinen engsten Trainingspartnern den Verein Masao Grappling Lingen (Ems) e. V. - und zwar online. “Das war eigentlich ganz lustig, weil wir abends im Videocall alle Abstimmungen gemacht haben. Anschließend bin ich mit dem Auto durch die Nacht gefahren und habe an den einzelnen Haustüren die Unterschriften eingesammelt”, erzählt er. Auch im weiteren Verlauf war die Corona-Pandemie eigentlich keine Hürde für den Erfolg des Vereins. Neben viel Zeit, hat Erik Anfangs auch Kapital investiert. Die ersten Matten zum Rollen haben 4.500 Euro gekostet, 1.000 Euro spendete Eriks Bruder für den Vereinsstart.

Eine eigene Halle für das Grappling-Training

Nach drei Jahren trägt sich der Verein selbst und es gibt auch hin und wieder Sponsoren für Anschaffungen. Ein großer Schritt war aber die Entscheidung für einen eigenen Trainingsort. “Wir haben an der Meppener Straße 57 in Lingen die Halle vom 3D-Minigolf übernehmen können”, erzählt Erik. Die Halle hat der Kern des Vereins von November 2023 bis Februar 2024 renoviert, gestrichen und instand gesetzt. “Wir haben den Boden und das Licht neu gemacht und mussten auch Nutzungsänderungen beantragen. Außerdem gab es Wasserschäden, die die Arbeiten und den Start in der neuen Halle verzögerten.” Dass hinter all dem eine Menge Zeit steckt, ist kaum zu übersehen. “Über weite Strecken hat der Verein meine ganze Freizeit in Anspruch genommen, aber das war vollkommen okay. Außerdem ist zwar vieles durch Eigeninitiative entstanden, aber ohne meine Trainer, Trainingspartner und Freunde wäre das alles gar nicht nicht möglich gewesen", blickt Erik wertschätzend auf die Gemeinschaft. "Dafür bin ich allen Beteiligten, die ich auf meinem bisherigen Weg kennenlernen durfte, sehr dankbar. Ohne sie wäre der Verein definitiv nicht dort wo er heute ist." Nun ist es für Erik Zeit, loszulassen, denn alles bis ins Detail zu machen, ist ab einer gewissen Größe nicht mehr möglich.

 Masao Grappling Lingen (Ems) e. V. hat inzwischen knapp 100 Mitglieder und es gibt neben dem Grappling auch weitere Kampfsport-Sparten. Erik und Julien waren anfangs die Haupttrainer. Erik ist zwar weiterhin Headcoach, aber es gibt neben Julien zwei weitere Grappling-Trainer für Erwachsene und zwei für Kinder. Inzwischen kann man im Verein zudem auch Ringen, K1-Kickboxen und MMA trainieren. Einige Trainer sind auch aktive Wettkämpfer. “Bei uns treffen sich Kampfsportinteressierte und Kampfsportler aus verschiedensten Disziplinen wie dem Karate, Boxen, Kickboxen, Muay Thai, Ringen, Judo, BJJ und MMA mit dem Ziel sich auszutauschen, voneinander zu lernen und um bessere Kampfsportler zu werden”, erklärt Erik. Die Alters- und Leistungsstufen, ob Mann oder Frau, Breiten- oder Leistungssport spielen dabei keine Rolle. Jeder kann bei Masao Grappling entsprechend seines Könnens trainieren und lernen. Fürs Erste allerdings nicht mehr bei Erik.

 

Von Lingen nach Tokio - und zurück?

Aktuell lebt Erik in Tokio, um dort ein Doktorat in Sportzahnmedizin zu absolvieren und unter der Kampfsportlegende Masakazu Imanari zu trainieren. “Zahnschutz ist da natürlich ein Thema, das ich aus dem Kampfsport kenne. Die korrekte Herstellung eines Zahnschutzes mit optimaler Stoßdämpfung, ordnungsgemäße Betreuung von Athleten und Performance-Steigerung sind Themen, die mich reizen und hier zulande noch nicht so weit sind", erklärt Erik die eine Seite des Hintergrunds. Die andere Seite des Hintergrunds sind die japanischen Wurzeln seiner Mutter, die ihn nach Tokio führen.

MASAO, ein passender Name für einen Kampfsportler und einen Verein

Und damit wären wir beim Namen des Vereins: “Die japanischen Schriftzeichen im Logo stehen für Gerechtigkeit und für Held. Frei übersetzt bedeutet Masao also etwas wie ‘gerechter Held’”, erklärt Erik seinen Namen. Ob und wann Erik zurück ins Emsland zieht, ist offen. “Kampfsport lebt vom Austausch, es gibt unzählige Handschriften und viel zu lernen.” Dass er etwas davon dann und wann ins Emsland trägt, ist allerdings ziemlich sicher, denn so wie sich der Verein entwickelt hat, wird er bleiben, weiter Erfolge feiern - und als weiterer Baustein den Kampfsport im Emsland auf hohem Niveau bereichern.