Der Conventure Club gehört zu den innovativsten Unternehmen Niedersachsens. Im Sommer 2022 wurden die Lingener als einer der drei Finalisten für den Innovationspreis Niedersachsen in der Kategorie "Kooperation" ausgezeichnet.
Der Conventure Club aus Lingen will regionale Unternehmen mit innovativen Start-ups vernetzen

Wenn Tanker auf Schnellboote treffen

„Schaut nicht nur nach Berlin und Berlin und München, sondern kommt auch nach Lingen!“ Diese Aussage stammt von keinem Geringeren als Matthias Helfrich, der aufgrund seines großen Engagements für Start-up-Unternehmen 2021 als „Business Angel des Jahres“ mit der „Goldenen Spürnase“ geehrt wurde. Als Business Angels werden erfahrene Unternehmer bezeichnet, die sich finanziell sowie mit ihrem Know-how und Erfahrungswerten für Nachwuchsfirmen einsetzen.

Warum aber nun der Blick nach Lingen? Dort befindet sich der Sitz des vor rund anderthalb Jahren gegründeten „Conventure Clubs“, eines Business-Angel-Netzwerks, das vorwiegend lokale Betriebe aus dem Emsland und Ostfriesland mit Start-ups aus der ganzen Bundesrepublik in Kontakt bringen möchte. Inzwischen unterstützen 40 Partner – darunter namhafte Firmen sowie Institutionen wie die Sparkasse Emsland, die Hochschule Emden/Leer, der VfL Wolfsburg, der Landkreis Emsland und seit Kurzem auch die Stadt Lingen – den innovativen Verbund.

Vom Ideenreichtum der Start-ups profitieren

Das Motto lautet „Tanker trifft Schnellboot“, erklärt Andreas Bernaczek, der den „Conventure Club“ mit seiner Firma Cornexion GmbH auf den Weg gebracht hat. Der gebürtige Leeraner ist überzeugt davon, dass die Region eine spannende Unternehmenslandschaft vorweisen kann. Doch auch seit Jahrzehnten am Markt bestehende Betriebe müssten sich mit Zukunftsfragen beschäftigen, um weiterhin erfolgreich zu bleiben. Gerade in diesem Zusammenhang könnten die Unternehmen vom Ideenreichtum der Start-ups profitieren, sagt Bernaczek: „Die Zusammenarbeit mit Start-ups ist für den Mittelstand eine smarte Lösung, um im digitalen Zeitalter nicht abgehängt zu werden.“

Auf der anderen Seite böten die etablierten Firmen etliche Dinge, die für Jungunternehmen von Bedeutung sind – wie etwa Produktionsprozesse sowie Marktzugang und Vertriebswege. Der Clubgründer nennt als Beispiel ein Start-up, das eine spezielle Greiftechnik entwickelt hat, die in den Fabrikaten eines Maschinenherstellers zur Anwendung kommen und somit in Serie produziert werden kann. Es muss also nicht die klassische Investition sein, wie sie aus der TV-Sendung „Die Höhle der Löwen“ bekannt ist. Auch andere gemeinsame Wege, etwa die Entwicklung und Ausführung von Pilotprojekten, können das Miteinander prägen. Das Ziel ist stets die gegenseitige Befruchtung. Ein zentrales Format des „Conventure Clubs“ sind monatliche Pitching-Events, bei denen sich die Start-ups aus ganz Deutschland vor Unternehmern der Region präsentieren. Im Aufbau befindet sich aktuell eine eigene Beteiligungsgesellschaft mit rund 15 Unternehmen, um zusammen in ausgewählte Start-ups zu investieren. Die Vorteile: Kapital bündeln, das Risiko streuen und die „Schwarmintelligenz“ nutzen.

Start-ups schauen aus der Vogelperspektive auf die Branche

Ein entscheidender Mehrwert bei der Verbindung zwischen gesetzten Unternehmen und Startups liege auch in dem Zugriff auf die jungen „klugen Köpfe“, die High Potentials der Nation. Dies könne gewissermaßen auch dem allgegenwärtigen Fachkräftemangel entgegenwirken, meint Bernaczek. Zwar nicht in dem Sinne, diese Kräfte abzuwerben: „Es handelt sich häufig um Freigeister, die ohnehin nie in einem klassischen Unternehmen arbeiten würden.“ Doch sei es durchaus möglich, dass diese im Rahmen von gemeinsamen Unternehmungen ihre Kenntnisse einbringen: „Start-ups schauen aus der Vogelperspektive auf die Branche und suchen nach Problemlösungen. Das schafft Dynamik.“

Für Andreas Bernaczek ist die Sache eine Herzensangelegenheit, sagt er. Der gelernte Banker und „BWLer“ war zuletzt als Geschäftsführer einer Reederei tätig: „Ich bin selbst ein Kind des Mittelstandes und weiß um die Herausforderungen.“ Schon immer habe er Investoren und Projekte zusammengebracht und sei schließlich dem Drang zur Selbstständigkeit erlegen. „Was ich jetzt mache, ist erfüllend auf allen Ebenen“, schwärmt der 46-Jährige. „Die Begegnung mit hoch motivierten Menschen, der stete Blick in die Zukunft, die positive Energie aus der Start-up-Szene – und natürlich zu sehen, wie durch meine Arbeit neue Dinge entstehen: Das alles ist großartig.“ Viel Herzblut fließe in das Projekt, und besonders schön sei es, nun so viele Partner an der Seite zu haben, die an ebenjene Mission glauben.

Mittlerweile führt Andreas Bernaczek die Cornexion GmbH und den „Conventure Club“ nicht mehr allein: Der gebürtige Papenburger Bastian Papen konnte ebenso „missioniert“ werden und steht Bernaczek seit dem 1. Juli als weiterer geschäftsführender Gesellschafter zur Seite. Der 43-Jährige, der heute in Krefeld lebt, verbrachte seine Ausbildungszeit und viele Berufsjahre bei der Sparkasse Emsland und arbeitete zuletzt als Manager bei einer renommierten Unternehmensberatung: „Mein Bestreben war es schon immer, aus etwas Bestehendem etwas Besseres zu machen“, sagt er. Auch seine Liebe und Verbundenheit zu seiner Heimatregion haben ihn bewogen, nun bei der Cornexion GmbH beruflich neu durchzustarten: „Es gibt hier so unglaublich viel Power. Wenn jemand etwas gegen das Emsland sagt, dann bäume ich mich auf“, betont Bastian Papen lachend.

Zum Cornexion-Team zählen weiterhin als Co-Gründer die IT-Unternehmer und Business-Angels Björn Steinecke und Daniel Juhnke aus Emden. Ganz bewusst stammen die Start-ups, die mit hiesigen Unternehmen verbunden werden sollen, aus ganz Deutschland und teilweise sogar aus Österreich und der Schweiz: „Die alte Denke ist: Wenn ich ein Start-up fördere, dann muss es auch einen Schreibtisch bei mir vor Ort haben. Aber: Der Ort ist heutzutage doch ganz egal, was zählt ist allein die Vernetzung“, sagt Bastian Papen. Der ländliche Raum als Standort dürfe nicht zum Wettbewerbsnachteil werden. Insofern gelte es, über die klassischen Netzwerke hinaus neue Verbindungen zu schaffen. Viele Unternehmen seien so im eigenen Hamsterrad gefangen, dass es ihnen schwerfalle, sich um die Skalierbarkeit zu kümmern. Start-ups könnten da wichtige Inspirationen liefern, selbst wenn sie nicht aus der eigenen Branche stammen: „Und die Start-up-Szene weiß inzwischen: Im Emsland und Ostfriesland bewegt sich was.“

Auch über die Szene hinaus hat das hiesige Netzwerk längst Beachtung erfahren: Schon im vergangenen Jahr wurde die digitale Plattform „www.conventure.club“ als „Digitaler Ort Niedersachsens“ ausgezeichnet – eine Anerkennung für Initiativen, Projekte, Unternehmen und Institutionen, die sich besonders für die Digitalisierung engagieren. Jetzt, im Sommer, folgte die nächste Ehrung: Beim niedersächsischen Innovationspreises 2022 unter Schirmherrschaft von Wirtschaftsminister Bernd Althusmann und Wissenschaftsminister Björn Thümler konnte sich die Cornexion GmbH gegen gut 100 Unternehmen aus Niedersachsen durchsetzen und wurde in einer feierlichen Zeremonie im Landesmuseum Hannover Anfang Juli als einer von drei Finalisten in der Kategorie „Kooperation“ ausgezeichnet. „Wir freuen uns sehr über diese Auszeichnung und sind sehr stolz“, kommentiert Bastian Papen den Erfolg. Erfreut sind Bernaczek und Papen auch angesichts der Tatsache, dass die Zahl der Mitglieder im Netzwerk von Monat zu Monat wächst. Interessierte Unternehmen können unverbindlich als Gast an einem der hybriden Clubabende teilnehmen. Andreas Bernaczek sagt rückblickend auf die Entwicklung des Netzwerks: „Wir konnten bislang alle Versprechungen einhalten. Das schafft Vertrauen und erlaubt es uns, die nächsten Schritte zu gehen.“